Wasch mir den Pelz …

Der verbreitete Move, seinen Müll anstatt in den meist nur zehn Meter entfernten Abfalleimer, in Radkörben oder auf Gepäckträgern fremder Fahrräder abzulegen, gehört zu den wohl rätselhaftesten und sinnlosesten Unsitten der Merkwürdenträger dieser Stadt.

Denn dass es sich bei Fahrrädern nicht um Mülleimer handelt, dürften selbst diese Idioten sehen. Ihr Trash gilt damit de facto als nicht weggeworfen. Sie haben mit ihrer Untat also rein gar nichts gewonnen. Im Gegenteil: Den Abfall in die dafür vorgesehenen Behältnisse zu verklappen, gestaltet sich aufgrund deren über Jahrhunderte hinweg auf genau diesen Zweck hin optimierte Beschaffenheit als die weitaus ergonomischere Methode.

Oder, in einfacher Sprache: Schwupps und weg! Ganz anders hingegen, das umständliche Befestigen irgendwelcher Pizzapappen, Tetrapacks oder To-go-Becher auf einem Gepäckträger. Damit das auch ja hält. Das wirkt alles so aufwändig, geradezu liebevoll, so weit das in diesem Rahmen aus Ignoranz und Dummheit überhaupt möglich ist.

Warum pfeffern sie ihr Zeug nicht einfach in die Gegend? Das würde ich noch an sich verstehen, das wäre wenigstens konsequent. Sind halt fröhliche Arschlöcher, die sich nix scheißen, würde ich nicht ohne Anerkennung denken. Für die mephistophelische Verstrickung des barocken Alltagssünders habe ich immer viel übrig gehabt.

Aber nein, das geht auch wieder nicht, dann schmerzte ihr kleines Spießerseelchen, das sie ja im Grunde haben. Das sie sind. Sie ertragen keine Anarchie. Unordnung wollen sie zwar machen, aber nicht sehen. Also räumen sie auf, ohne zu entsorgen. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Das ist wie fremdzugehen und dabei nonstop ein schlechtes Gewissen zu haben. Ein bisschen schwach, ein bisschen schizo und rundum eine ärgerliche Verschwendung menschlichen Geistes und menschlicher Energie.

Ich bin ja wirklich ein Ausbund an Friedlichkeit. Ich lass mir fast alles gefallen. Schon bevor man mir auf die eine Wange schlägt, halte ich bereits beide andere hin. Ich bestatte tote Ameisen und richte im Sturm geknickte Gänseblümchen wieder auf. Ich tränke den Straßenbaum, gebe dem Bettler, tröste das Kind. Ich segne das Brot und schone die Umwelt. Wer mich sieht, denkt, nanu, was hoppelt denn da für ein riesiges rosa Kaninchen freundlich mümmelnd durch die Straßen, doch es gibt eine einzige Ausnahme: Jedes Mal, wenn ich auf meinem Gepäckträger einen dieser eh schon umweltschweinösen Kaffeebecher finde, tagträume ich davon, wie ich dem Verursacher im Schreiton, der sich exakt im Takt mit meinen Hammerschlägen befindet, mit denen ich ihm jeden Knochen beider Hände einzeln breche, über den Grund dieser Maßnahme unterrichte: „WIE – Schlag – SIEHT – Schlag – EIN – Schlag – MÜLLEIMER – Schlag – AUS??? – Schlag – UND – Schlag – WAS – Schlag – IST – Schlag – DAS – Schlag – HIER???“ Anschließend stopfe ich ihm seinen Müll so tief in den Rachen, dass er hinten wieder rauskommt. Aber unverdaut.

Das stelle ich mir vor. Doch leider ist von dem Übelwicht weit und breit nichts zu sehen. Das Bürschchen hat offenbar gerochen, mit wem es hier zu tun hat, und vor dem Strafgericht das Weite gesucht.

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