Vitamin Weh

Vielleicht läuft ja auf Phönix eine Doku über das sonnige Costa Rica.

Was für eine Schnapsidee, diese Breitengrade auch im Winter zu besiedeln, denke ich, man steckt doch auch keine lebenden Tiere in den Kühlschrank oder nagelt sie ans Kellerregal. Sonne und Mond lassen sich um diese Jahreszeit im Grunde nicht mehr voneinander unterscheiden. Wenn das hier draußen das Tageslicht sein soll, will ich dem Nachtlicht aber nicht im Dunkeln begegnen.

Ich bin mal eben rausgegangen. In den „Park“, wenn man diese düstere Hölle aus nassem Laub, toten Bäumen und anderen schlechtgelaunten Arschlöchern überhaupt so nennen möchte. Das wird ja gern empfohlen, damit man an den kürzesten Tagen des Jahres wenigstens ein bisschen besser draufkommt. Nicht umsonst gilt Bewegung an frischer Luft bei Suchtkrankheiten und auch Depressionen als zentraler Therapiebestandteil. Ich geh natürlich nur ganz langsam spazieren. Denn erstens sagen die Kollegen, dass jeder, der sich ohne Not schneller als mit zwei km/h bewegt, doch nur vergeblich vor seinem eigenen Tod wegrennt, und zweitens sähe das auch blöd aus, weil ich in der Turnstunde nie richtig aufgepasst habe. Dennoch fragt man sich sofort: Was mache ich bloß hier? Sobald man nur zehn Minuten triefenden Auges durch die sterbende Welt gestiefelt ist, will man eigentlich nichts wie ab zurück nach Hause. Heimlich Weinen. Unheimlich Essen. Ganz viel Fernsehen.Vielleicht läuft ja auf Phönix eine Doku über das sonnige Costa Rica.

Zuhause steht jetzt eine Tageslichtlampe – noch so eine Empfehlung der angeblichen Winter Survival Profis. Mit großen Hoffnungen habe ich sie gekauft und aufgestellt. Nun steht sie da, ein Leuchtturm meiner Enttäuschung, und ich werde mit jeder Sekunde trauriger, die ich in das grelle kalte Licht hinein blinzle.

Vom gleichen Kaliber ist auch Vitamin D. Praktisch alle Leute sagen: Nimm das jeden Tag, mindestens von Oktober bis März; das ist das absolute Zaubermittel, da geht es dir gleich besser.

Ich pfeife mir also das Zeug rein und warte auf die Wirkung wie bei einem Haschkeks. Darauf, dass – bamm! – auf der Stelle rauschhaftes Glück Einzug hält: ein Rieseneisbecher mit Schokostreuseln und Heroin bestreut; ein Augenflirt im Gang vor der Fleischabteilung des Biosupermarkts; eine frische Brise, die die Mähne meines Lieblingsponys Sternenfee zaust, während wir auf die Kalkklippen zu traben, hinter denen wie Feuer der Horizont erglüht; vor allem jedoch das erste, schnell getrunkene halbe Bier, das an einem grauenhaft verschissenen Dezembertag heilend ins Blut schießt.

Denn mit Abstand am besten hilft erfahrungsgemäß der Alkohol. Good old Sorgensprit, der Klassiker schlechthin. Ein so schlichtes wie hochwirksames Rezept, bewährt seit tausenden von Jahren und zuverlässig wie Benzin. Oben schüttet man es in den Tankstutzen und schon brummt der Motor wieder getröstet vor sich hin. Doch das ist leider nur geliehener Trost, den man am nächsten Tag auf Heller und Pfennig zurückzahlen muss, und damit nicht genug, werden obendrein Zinsen fällig. Plus Verzweiflungsabgabe, Katerzulage und Dummheitssteuer – wirklich ein selten schlechter Deal.

Das hindert einen nicht im geringsten daran, am nächsten Abend erneut begierig nach dem brennenden Strohhalm zu greifen, wie so ein schwachsinniges Meerschweinchen, das ein Biologe vergeblich mit Stromschlägen und Futter auf ein erwünschtes Verhalten hin zu konditionieren versucht. Denn zu verlockend ist die Aussicht auf vorübergehende Linderung der Not um jeden Preis. Dafür würde man sogar seine Seele an den Teufel verkaufen, hätte man das damit nicht schon längst getan.

Auf das Vitamin D hofft man jedenfalls vergebens. Doch so schlimm dieser Tag auch ist, lasst ihn uns dennoch in vollen Zügen genießen. Denn es gibt eine gute Nachricht, zumindest was den heutigen Tag im Nachhinein betrifft: Der morgige wird noch viel schlimmer. Noch dunkler, noch grauer, noch auswegloser. Darauf einen Underberg.

Das Wesen der Politik

… nur damit sie irgendwie glücklich sind.

Die isländische Premierministerin Katrin Jakobsdottir ist offenbar verrückt geworden. Laut dem Weltverbessererportal „Collective Evolution“ empfiehlt sie den Regierungen der Länder dringend, statt wie bisher das Bruttoinlandsprodukt nunmehr Nachhaltigkeit, psychische Gesundheit und Qualitätszeit, kurzum „Well-Being“ ganz oben auf die politische Agenda zu setzen.

Der Esotantensprech bedeutet sinngemäß, dass die Bürger, ungeachtet auch nur irgendeiner Vorleistung, von einem Wellness-Staat gepampert werden wie Pandajunge, nur damit sie irgendwie glücklich sind. Ja, wen soll das denn interessieren? So bauen sich doch keine Autos, fällen sich keine Wälder, führen sich keine Kriege, verprügeln sich keine Frauen.

Hat die Alte eine komplette Vollmeise? Was glaubt denn eigentlich die dumme Kuh, wofür ein Staat da ist? Und Politiker sollen womöglich die Diener des Volkes sein, oder am besten gleich noch dessen Krankenpfleger und ihm schön das Ärschchen pudern, bevor sie ihn aufs weiche Ruhekissen betten? Und morgen gibt es dann das bedingungslose Grundeinkommen für alle, ja? Dazu vielleicht noch eine Tasse Kaffee und ein Plunderteilchen als Belohnung für rein gar nichts.

Eines ihrer „Argumente“ für den neuen Kuschelkurs ist der in Island vergleichsweise hohe Pro-Kopf-Verbrauch an Antidepressiva. Na, sollen sie halt Schnaps trinken wie richtige Männer, wenn sie traurig sind; dann brauchen sie auch kein Heulsusin Forte ® mehr. Und überhaupt: Was ist denn das bitte für eine Statistik? Als nächstes zählen wir die ausgestorbenen Tierarten und die umgefallenen Reissäcke oder wie?

Mit den Regierungschefinnen von Schottland und Neuseeland hat Jakobsdottir sogar noch Verbündete für ihren Memmenschanz. Es ist kein Zufall, dass alle drei Frauen sind. Frauen in der Politik sind wie Elefanten, die vor dem Porzellanladen darauf warten, dass er nach der Mittagspause wieder aufmacht. In den Augen dieser Stricklieschen ist die moderne Gesellschaft wohl ein Sanatorium mit integriertem Ponyhof, wo sich mit Samthandschuhen angefasste Drückeberger ihre unverdienten Streicheleinheiten abholen. Dabei lassen sie die klassischen Grundsätze der Politik vollkommen außer acht, die da lauten: Wer nicht hören will, muss fühlen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn dich einer auf die linke Wange schlägt, dann tritt ihm in die Fresse.

Politik muss aussehen, klingen, riechen, ja, in Wesenskern und Haptik rundum sein wie ein von einem verschwitzten Schmutzfink lautstark hochgezogener und anschließend mit einem Geräusch der Verachtung einem anderen Menschen direkt vor die Füße gerotzter Teerschnodder. Sonst ist das keine Politik. Politik ist der Geschmack von Blut nach einem hinterlistigen Ellbogenstoß. Politik ist die Macht der Mächtigen und die Ohnmacht der Ohnmächtigen. Politik ist kein Spaß. Politik ist Männersache.