Ein Denkfehler

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Manchmal, wenn ich da so in der Hasenheide sitze, denke ich, es könnte, nein, es muss doch eigentlich jeden Moment unweigerlich folgendes passieren:

Ich fläze also auf der Wiese am ostseitigen Hang der langen Senke – hier hat man am längsten Abendsonne – und lese ein Buch. Da sehe ich von weitem zwei Typen zielgerichtet auf mich zukommen. Der eine filmt mit seiner Handykamera, der andere trägt ein langes Schwert. Ich habe kein gutes Gefühl.

Dann stehen sie vor mir und fragen mich, ob ich wisse, besser gesagt, sagen mir, warum ich nun gleich sterben muss. Also eher mit nem halben Fragezeichen. Hauptsächlich spricht der mit dem Schwert, und der andere filmt die ganze Zeit über abwechselnd mich und seinen Kumpel. Und ich sage, hmm, keine Ahnung, aber dass manche ja heutzutage die komischsten Gründe für so etwas fänden, also „Gründe“ etwa von jener Qualität, dass sie für sämtliche Leute, die auch nur eine einzige kaputte kleine Tasse im Schrank haben, eigentlich gar keine sind, und vielleicht wäre es ja in meinem Fall zum Beispiel, dass ich beim Sitzen die Beine überkreuzt halte oder dass der zweitoberste Knopf von meinem Hemd offensteht oder ich lese das falsche Buch. Doch, um solcherlei wilden Spekulationen Einhalt zu gebieten, sowie die ganze Sache abzukürzen und zu vereinfachen: nein, das wisse ich wirklich nicht. Ich glaube, ich muss dazusagen, dass sich während besagten Sondierungsgesprächs mein schlechtes Gefühl noch verstärkt.

Erst recht, als der mit dem Schwert weit ausholt. Schon die Ausholbewegung erzeugt ein sirrendes Geräusch in der Luft, das Schwert muss sehr scharf sein; der andere filmt dabei mit der Handykamera – der ist, und da urteile ich aus meiner an sich natürlich unmaßgeblichen Sicht heraus wohl kaum zu leichtfertig, bestimmt ebenfalls böse – und ich weiß, ich habe keine Chance, außer vielleicht diese eine klitzekleine: und spanne sämtliche Muskeln meines Körpers auf nie zuvor dagewesene Weise an, bis ich bloß noch ein einziger Muskel bin, und schnelle, SCHNELLE dem Schwertmann etwa in Höhe seiner Schienbeine entgegen.

Dummerweise trifft er mich schon in der Luft voll, fast tödlich. Mein buchstäbliches Entgegenkommen verdoppelt die auf mich einwirkenden Kräfte des Schwerts. Und während er mich komplett zerhackt wie einen Salathering, kann ich eben noch denken, dass mir ein schwerer, logischer Denkfehler unterlaufen ist: Wenn man keine Chance hat, gibt es auch nicht die eine.