Die meisten der großen Warnschilder, die sie entlang der brandenburgischen Autobahnen aufgestellt haben, warnen vor der Benutzung des Mobiltelefons am Steuer und insbesondere dem Lesen und Schreiben von Textnachrichten. „Tipp, tipp, tot“, steht da zum Beispiel neben einem gestellten Selfie von zwei jungen Frauen.
Gerade haben sie noch Faxen gemacht. Jetzt sind sie tot. Das ist sehr schade. Hätten sie doch nicht. Sie würden beide noch leben. Das schmerzt den Betrachter und das soll es auch. Eine Schockwirkung wie auf den Zigarettenpackungen, nur, dass hier nicht das Hässliche gezeigt, das erzeugt, sondern das Schöne, das vernichtet wird. Wie auf dem Schild mit einem Kreuz über „Marie (38), abgelenkt von einer SMS“. Darunter das Bild einer sympathisch lachenden Frau mit einem kleinen Mädchen auf einem Smartphone mit zersplittertem Display. Hoffen wir mal, dass das nur irgendein Kind ist, das zufällig mit aufs Bild geraten ist, und nicht Maries Tochter, sonst wäre die jetzt Halbwaise.
Natürlich nimmt man für die Kampagne keinen einsamen alten Sack. Da würden die Fahrer nur sagen, „macht nichts“, „geschieht ihm recht“, oder, „bis der Technikklaus mit seinen unegalen Fingern eine SMS rausgewürgt hätte, wäre er sowieso an Altersschwäche gestorben.“ Anschließend würden sie rotzfrech die Elektrogeräte auspacken und eine letzte Runde Angry Birds spielen. Am Lenkrad und mit hundertvierzig Sachen.
Nein, es muss schon irgendwas in den Menschen ansprechen, sonst löst es auch nichts aus.
Dumm nur, dass die Schilder wahnsinnig ablenken. Ich fahr jedes Mal fast in die Leitplanke. Das riesengroße Schild. Der Schreck. Die glücklichen jungen Leute. Die schöne Marie. Der Kummer. Vielleicht sollte man mit einem weiteren Schild vor dem ersten warnen: „Pechmarie (28), abgelenkt von einem Schild, das davor warnt, sich beim Autofahren von einer SMS ablenken zu lassen.“ Und davor noch eins: „Doofmarie (18), abgelenkt von einem Schild, das davor warnt, sich von einem Schild ablenken zu lassen, das davor warnt, sich am Steuer von einer SMS ablenken zu lassen.“
Schild, Schild, tot. Und hinter dem dritten Schild dieser Art taucht rechterhand im Graben ein Riesenberg Schrottautos mit Skeletten drin, Gras drüber, dazwischen Spinnweben und darunter Handys auf. Die meisten Akkus sind längst leer, nur auf den letzten funzelt noch das Display: „Wo bist du?“, „Wann kommst du?“, „Ich liebe dich“, „Ich werde dich lecken, bis du schreist“, „Don‘t text and drive ;)“ Zwinkersmiley.
Hat man die Autobahn heil überstanden, und fährt nunmehr durch die Ortschaften, wird es nicht wirklich besser. Die Landtagswahl steht an, und die Wahlplakate sind genauso tückisch. Zum einen, weil sie den Blick auf Gefahrenstellen verdecken und zum anderen, weil man von deren Botschaft abgelenkt wird. Besonders die AfD lässt rätseln, und weil gefühlt dreiviertel der Plakate von ihr sind, rätselt man auf Schritt und Tritt.
„Der Osten steht auf.“ Danke, das ist nett junger Mann. Sie wissen wenigstens noch, was sich gehört. Der Westen hat ja keine Kinderstube. Sehen Sie mal da hinten: da sitzt der in aller Seelenruhe, liest in seiner Westzeitung und und lässt die schwangere Frau neben sich im Gang stehen.
„Unser Land, unsere Regeln.“ Dabei ist das eh schon schwer genug. Ob beim Mensch-ärgere-dich-nicht Schlagzwang gilt, um unheilige Allianzen zu verhindern. Ob beim Schieberramsch die Zehn hoch steht oder eingeordnet. Oder ob man beim „Stadt, Land, Fluss“ auf das Kommando „Stopp“ das jeweilige Wort, das man schon angefangen hat, noch vervollständigen darf, beziehungsweise wie viele Buchstaben man schon mindestens haben muss, denn manche schreiben sonst einfach überall schon mal den jeweiligen Anfangsbuchstaben hin und behaupten dann, sie dürften alles noch fertig schreiben, aber das sind Arschlöcher. Kurz, es ist so bereits ein einziges Regelwirrwarr.
Und wenn dann jetzt noch Leute aus Neukaledonien kommen, die das so kennen, dass man beim Malefiz in bestimmten Ausnahmefällen die Hindernisse überspringen darf, dann kennt sich wirklich keiner mehr aus. Es ist echt nicht böse gemeint, Freunde, aber dann käme man doch in Teufels Küche.
Doch natürlich ist es böse gemeint, denn sonst wäre es ja nicht die AfD. Da sind mir die Schilder auf der Autobahn schon lieber, obwohl die mich immer so traurig machen.