Mein größter Triumph

Der Turnlehrer weinte fast vor Wut.

Tromp, tromp, tromp! In der Hasenheide zittert der Boden: ein Erdbeben, ein Vulkanausbruch, eine anrückende Panzerdivision?

Doch nein, eine gewaltige Atemwolke in der kalten Luft kündigt die Ankunft eines gigantischen Wesens an. Und tatsächlich: Schnaufend und hechelnd biegt der Vanillekipferlsaurus Specks um die Ecke. Jeder Schritt scheint ihm eine unendliche Kraftanstrengung abzuringen. Mit dieser Tonnage den mächtigen Körper nicht nur aufrecht, sondern in Bewegung, gar im Trab zu halten, ist im Grunde ein Wunder, ein Sieg der Natur über die Physik und des Willens über die Statik.

Nach den Feiertagen fällt mir das Laufen alles andere als leicht. Auch die Entgegenkommenden keuchen sich schier die Seele aus dem Wanst. Und es sind viele, denn zu der anfangs des Jahres eh schon üblichen Steigerung durch verblödete Neujahrsvorsätze, gesellt sich heuer obendrein noch der Corona-Effekt. Die Leute sind mehr draußen, sie gehen mehr spazieren und sie joggen mehr. Was sollen sie auch sonst machen?

Nach einer halben Stunde darf ich aufhören. Genug für heute. An einen Baum gelehnt vollführe ich Dehnübungen. „LK Sport lässt grüßen“, ruft von einer Parkbank ein Mann mit der immer etwas zu lauten, falschen Fröhlichkeit des Morgentrinkers zu mir herüber. Ich beachte ihn nicht weiter, aber ich verstehe, wie er auf diesen Eindruck kommt, denn ich bin ein exzellenter Dehner. Hätte er mich zuvor laufen gesehen, wüsste er, dass ich allenfalls GK bin. Doch jetzt bin ich in meinem Element – gegen meine hier nun wieder wie schwerelose Anmut nähme sich eine Gazelle wie ein Trampeltier aus.

LK und GK, Leistungskurs und Grundkurs – allein die Verwendung dieser Begriffe deutet sowohl auf ein BRD-geprägtes Schulsystem, als auch ein gewisses Alter der Sprechenden hin. Denn ich weiß sofort, was er meint. Wir verfügen über dieselben Codes. Das eint den Schreihals und mich. So etwas wie LK und GK gibt es heutzutage doch bestimmt nicht mehr. Das System ist sicher längst zugunsten irgendeiner fachschaftsfluiden Flexiwissensvermittlung verschwunden. Oder primitiver gesagt: Grüße aus der Klippschule.

Ich muss daran denken, wie ich anno Tobak als einziger in einem naturgemäß – Zwangspflichtfach! – völlig lustlosen Grundkurs Sport, versuchte, die Note „einzubringen“ (noch so ein Catchword für BRD-Boomer), weil das immer noch mehr versprach als in Mathe oder Französisch. Um mich herum lümmelten rauchend und Leberkässemmeln kauend die Mitschüler, das Gruppenbild einer grundsätzlichen Sabotagehaltung, wie man sie so vermutlich nicht mal in den Fabriken des real existierenden Sozialismus kannte. Ich aber lief einfach im Spagat über die Hochsprunglatte hinweg, und sprang auf diese Weise höher als der nebenan sich in komplizierten Wurliwurmtechniken um die Stange windende Leistungskurs. Die Verweigerer zündeten sich lachend die nächste Semmel an, und der Turnlehrer weinte fast vor Wut, weil er mir eine Eins geben musste. Für die Note zählte nämlich nur die Höhe. Es war der größte sportliche Triumph meines Lebens und sollte auch der einzige bleiben.

„LK Sport, hahaha“, stört nun, erneut laut quakend, der erstaunlich edel gekleidete Idiot meine schönen Erinnerungen. Meine Ignoranz scheint ihn zu verunsichern. So ganz zufrieden wirkt er jedenfalls nicht. Man denkt als Laie ja immer, prima, genau das ist es, sich einfach jeden Tag von morgens bis abends im Park zu betrinken und sonst gar nichts, das ist sicher sehr schön, das ist der ultimative Bringer, aber womöglich macht man sich da doch was vor, und so schön ist es am Ende gar nicht.

Der letzte Schrei

Man hat schließlich auch Verantwortung für Andere

Schön finde ich, dass jetzt viele kleinere Klamottenläden elegante und originelle Mundnasenschutze im Sortiment haben: feine Stoffe, schöne Farben, kecke Motive. Manche arbeiten mit kleinen Manufakturen zusammen oder stellen sie sogar selbst her. Das finde ich gut. Ich bin ja nicht so der Einweg-Pappnasenträger; als Mann von Welt, der ich gern wäre, möchte ich schließlich auch mit Maske schick sein.

Ich betrete den Laden und sondiere den reich bestückten Maskenständer. Die Inhaberin bedient noch eine andere Kundin, aber das macht gar nichts. Ich sehe mich eh lieber erst mal in Ruhe alleine um. Zunächst prüfe ich das Material gründlich mit beiden Händen. Anschließend probiere ich einen Mundschutz nach dem anderen an, und laufe damit im Laden herum, erst im Schritt, dann im Trab. Ich mache Kniebeugen und Liegestütze, um zu testen, ob er bei körperlicher Belastung verrutscht. Das sind entscheidende Kriterien – ich habe keine Lust auf einen faulen Kompromiss, den ich nach zwei Wochen Tragezeit doch nur wieder zurückgeben muss. Im Spiegel gucke ich, ob man von außen sieht, wie sehr ich die Masken schon durchgesabbert und -geschwitzt habe. Die nur noch vier Kandidaten von etwa fünfzig, die bis dahin alle Prüfungen bestanden haben, unterziehe ich am Ende noch dem wichtigsten Test: Ich niese und huste kräftig hinein, um zu sehen, ob sie auch wirklich dicht sind.

Die Chefin hat nun Zeit für mich und wendet sich mir zu: „Ich sehe, Sie haben schon eine schöne Maske gefunden? Sieht doch fabelhaft aus.“

„Ja, sehr schöne Modelle. Absolut. Aber ich hab die jetzt schon alle anprobiert und keine sitzt so richtig perfekt“, sage ich, und mache keinen Hehl um meinen leichten Unmut. „Zu fest, zu locker, nicht dicht genug. Sehen Sie …“ Ich deute auf den Teppich. „Beim Niesen sind mir zum Teil sogar links und rechts die fetten Flatschen rausgespritzt. Das geht gar nicht. Man hat schließlich auch Verantwortung für Andere. Genau das ist ja im Grunde das Prinzip des Mundnasenschutzes: Ich für dich, du für mich, wir für uns. Für eine gesunde Gesellschaft in einer nachhaltigen, sicheren und gerechten Welt.“ Ich deklamiere aus dem berühmten Poem „Busenbrunst“ der Heimatdichterin Luise Brandstetter: „Bruder, du, ein Teil von mir. Schwester, du, ein Teil von dir. Funkenflug, ich eil, ich eil. Brandleich schwarz, ein Teil, ein Teil …“

Die Boutiquarin wirkt entgeistert.

„Schön, nicht?“ Ich kann nur flüstern, im Hals ein dicker Kloß, füllen sich meine Augen mit Tränen.

Sie zeigt auf den Haufen feuchter Masken, der sich neben dem leeren Ständer türmt. „Haben Sie die etwa alle anprobiert?“ Auch sie flüstert, offenbar schwer ergriffen. Das gefällt mir. Eine Frau der Geistes und der Kunst. Ich glaube, hier werde ich ab heute öfter einkaufen.

„Ja, alle.“ Ich nicke. „Aber leider passt keine so richtig. Die hier auch nicht.“ Ich nehme die letzte Maske ebenfalls ab. „Puh, endlich wieder Luft. Das tut gut.“ Ich schnäuze mich. „Leander Haußmann hat recht: Ist ja schon irgendwie Diktatur.“

„Würden Sie hier im Laden bitte einen Mundnasenschutz anlegen?“ Sie wirkt mühsam beherrscht. Ein bisschen wie Edvard Munchs „Schrei“, aber eben kurz davor. Holla, was ist denn hier plötzlich los?

„Aber ich habe doch keinen.“ Nun bin ich es, dem es kaum mehr gelingt, seine gerechte Empörung zu verbergen. „Natürlich nicht. Sonst wäre ich doch nicht hier. Das ist ja wohl logisch. Wie dumm Sie sind. Sorry. Echt mal.“

Enttäuscht wende ich mich zum Gehen. Geht man so mit Kunden um? Ich denke, eher nicht. Schade, jammerschade.

Doomsday

Bedeutungslos gewordene Runen aus einer anderen Zeit

Die Fußballkneipe an der Ecke hat die Rollläden heruntergelassen. Der Aufbruch muss überstürzt gewesen sein, so als wären die Leben aller von einem Moment auf den anderen dornröschenhaft eingefroren. Ein ähnlicher Effekt wie in Pompeji, wo man unter der Vulkanasche des Vesuvs sogar noch die gut erhaltenen Abdrücke schreckensweiter Gesichter fand, zusammengekauerte Körper, im Todeskampf oder auch in letzter Umarmung, und selbst ein bereits zur Flucht gesatteltes Pferd.

Hier ist es fast noch gruseliger. Auf der Tafel neben der Eingangstür steht in Kreide noch immer die Ankündigung der letzten hier im Fernsehen gezeigten Bundesligapartie. Es war das Sonntagabendspiel, am Tag darauf begann der neue Lockdown. Über drei Wochen ist das her – die Ankündigung liest sich nun wie bedeutungslos gewordene Runen aus einer anderen Zeit und einer anderen Welt. Die Gäste, die den Laden mal so unnachahmlich brummen ließen, sind zuhause, woanders oder tot. Es hat etwas von einem Katastrophenfilm.

Doch was mir mehr als alles andere eiskalte Schauer über den Rücken jagt, ist ein teuflisches, in seiner apokalyptischen Symbolik ungeheures Detail. Denn nicht etwa Real Madrid gegen den FC Barcelona wird dort angepriesen, und auch nicht Bayern gegen Dortmund, sondern Hertha BSC gegen den VFL Wolfsburg.

Eine Spielpaarung also, die schon an sich nach Vergeblichkeit riecht, nach absoluter Sinnferne, Verfall, Verwesung und dem Ende der Welt. Tod gegen Elend, ein jämmerliches Geisterspiel schon vor Corona. Wer hier noch an Zufall glauben möchte, glaubt auch nicht ehrlich an Gespenster. Es ist ein Treppenwitz der Weltuntergangsgeschichte, ein Wink mit dem brennenden Zaunpfahl direkt aus der Hölle. Als wäre die Uhr am Doomsday ausgerechnet um sechs Uhr sechsundsechzig mitteleuropäischer Endzeit für immer stehengeblieben.

Vor meinem inneren Auge erscheint in HD-Breitwand eine verlassene Westernstadt; der Wind heult zu einer Melodie von Ennio Morricone durch die Straßen und treibt einen vereinzelten Tumbleweed vor sich her. Alles ist wie ausgestorben, doch in den Häusern steht noch immer das Mittagessen auf den Tischen, Bohnen mit Speck, in dem sich als letzte hier verbliebene Lebewesen nun die Maden tummeln. Die Bewohner sind offenbar Hals über Kopf geflohen, von den Banditen verschleppt oder getötet worden. Die Schwingtür des Saloons quietscht im Wind: Ist dort vielleicht noch jemand am Leben? Doch da sitzt nur ein Toter mit einer Kugel im Kopf vor seinem Whiskyglas, dessen Inhalt längst verdunstet ist. Neben der Bar befindet sich ein Aushang mit den pandemiebedingt geänderten Öffnungszeiten für das hauseigene Bordell im ersten Stock, Steckbriefen, die unter der Scheinalternative „Dead or Alive“ um Mithilfe bei der Ergreifung von Pferde-, Hühner- und Tagedieben bitten, sowie eine Ankündigung des allabendlichen Shootouts zwischen Dorfdepp und Deputy um 18 Uhr draußen vorm Saloon: Hertha BSC gegen VFL Wolfsburg.

In diesem Moment weiß die Fremde: Diese verfluchte Stadt wird nie wieder bewohnt sein, und das ist auch gut so.

Kanzelkultur

So ein Spinner – der will ein Arzt sein?

Der Orthopäde, der meinen Fuß untersucht, trägt seinen Mundnasenschutz demonstrativ schlampig. Ich selbst bräuchte keinen anzulegen, sagt er, „das ist doch eh alles Quatsch, diese Masken bringen überhaupt nichts.“

Er flucht und brummelt, murmelt und hetzt. Kurz verspüre ich den Drang, auf der Stelle zu gehen. So ein Spinner – der will ein Arzt sein? Doch dann besinne ich mich. Auch Mediziner sind schließlich nur Menschen. Sie rauchen und trinken, ernähren sich schlecht und haben komische Ansichten. Man denke nur an die Unterzeichner der „Great-Barrington-Declaration“, die 700 „Ärzte für Aufklärung“, die in ihren Praxen mit Handzetteln vor „Impfzwang“ warnen, oder jene mittlerweile so sprichwörtlich wie die zwölf Apostel gewordenen 107 Lungenärzte, die sich für die Segnungen des Feinstaubs fast bis zur öffentlichen Selbstverbrennung in die Bresche warfen. Psychiater wiederum haben manchmal eine gepflegte Meise, wenngleich längst nicht so oft, wie es ihnen ein böswilliger Volksmund andichtet. Und Orthopäden sind, ebenso wie Chirurgen, ohnehin eher eine Art Klempner.

Ich will jedenfalls nicht mehr Leute pauschal für ihre Haltung abstrafen. Das ist doch überhaupt nicht meine Art. Kritisieren ja, aber nicht ruinieren. So halte ich auch nach dreißig Jahren meinem Friseur die Treue, obwohl er mir im Grunde herzlich unsympathisch ist. Seine fachlichen Qualitäten sind bescheiden – ich sehe hinterher meist aus wie ein frisch ausgewürgtes Greifvogelgewölle und einmal hat er mir fast das Ohr abgeschnitten –, doch die menschlichen sind noch viel schlimmer. Sobald ich unter meinem Frisierumhang gefangen bin, ballert er mich nonstop mit fremdenfeindlichen Witzen der schlimmsten Sorte zu.

Aber darum wechsle ich noch lang nicht den Salon. Sonst würde er denken, dass ich ihn nur wegen seiner Äußerungen wirtschaftlich vernichten will. Das wäre doch nicht fair. Viele Kunden hat er eh nicht mehr. Mit so einer Cancel Culture will ich nichts zu tun haben.

Und zwar weniger weil ich Angst hätte, wie in solchen Fällen üblich, vom Bürgerfeuilleton mit neunmalklugen bis rechts offenen Politbelehrungen zugeschissen zu werden. Das würde nicht passieren, denn schließlich kennt uns kein Schwein, weder mich noch den Friseur. Nein, ich bin einfach nur sensibilisiert, weil ich oft genug am eigenen Leib erfahren habe, wie es sich anfühlt, gecancelt zu werden. Und zwar auf der ganzen Linie. Jedes meiner jüngsten Bücher wurde von sage und schreibe 7,77 Milliarden Menschen boykottiert. Nur, weil es ihnen nicht gefällt, sie es nicht kennen, oder mich nicht kennen, verweigern sie den Kauf. Das muss man sich mal vorstellen, das ist doch eine konzertierte Hexenjagd!

Einigen halte ich zugute, dass ihnen gar nicht bewusst ist, was für ein Zerstörungswerk sie so in meiner Seele anrichten. Und die eine oder andere wird vielleicht nicht daran denken, dass ja auch ich von irgendetwas leben muss. Dafür, dass ich schreibe, was ich denke, und oft auch mal das Gegenteil oder irgendwas dazwischen, überziehen sie mich mit ihrem Vernichtungsfeldzug. Dabei beweisen doch stets ein paar hundert treue Käufer, dass es durchaus möglich ist, das Werk nicht für die Privatmeinung des Autors büßen zu lassen, oder genauer, für das, was sie für seine Meinung halten.

In der Praxis seufze ich ergeben und blicke dem Orthopäden tief in seine müden, gelben Augen. Er ist ein Arschloch, ja, na und? Wer bin ich, ihn deshalb ins Elend zu stoßen? Freilich bleibt noch immer eine Restlust, ihm anschließend wenigstens auf Jameda eins überzubraten.

Das Böse

Ein Geschenk der Krone an die Demut und die Vernunft

Es war nicht alles schlecht an Corona, ich sag nur: Autobahnen. Die waren eine Zeitlang herrlich leer. Ebenso der Himmel über Berlin: keine dröhnenden Flugzeuge, keine krankmachenden Chemtrails; bloß ein paar selten gechillte Vögel flogen wie gewohnt von A nach C und von A nach B. Vergleichsweise himmlische Ruhe herrschte auch auf den Berliner Straßen. Alle saßen zuhause und hatten Angst, so dass die wenigen Systemrelevanten super durchkamen. Die in der Folge errichteten Pop-up-Radwege waren ein Geschenk der Krone an die Demut und die Vernunft. Der Kottbusser Damm, sonst ein analoges Killerspiel für Kfz und LKW, wurde so zum utopischen Bullerbü-Erlebnispark. Lachende Eichhörnchenkinder wiesen den behütet durch die laue Brise schwebenden Liegeradfahrern den Weg. Die vom Abgas befreiten Bäume rauschten mit ihren Blättern das Lied von der Achtsamkeit aller Lebewesen dazu.

Doch die schöne neue Welt entpuppt sich nun als Illusion. Seit Hildmann und seine zehn Millionen Gerechten das Virus so gut wie besiegt haben, ist leider wieder Schluss mit lustig. Der neue Lockdown Ultralight verläuft nach neuen Regeln. Die U-Bahnen sind fahrende Pestgruben, die Straßen sind so voll wie je zuvor, und die Pop-up-Radwege sollen wieder abgebaut werden. Irgendein Arsch von der AfD, dessen Namen ich nicht nenne, um dem Täter keine Plattform zu geben, hat dagegen geklagt, und das Gericht hat ihm Recht geben.

SA, SS, AFDAC. Selbst wenn man, die aufkommende Übelkeit ignorierend, versucht, sich in die Köpfe der Nazis reinzudenken, kommt man zwangsläufig an den Punkt, da einen eine völlig sinnbefreite Form der Niedertracht ratlos zurücklässt. Also nicht, dass das mit den Radwegen schlimmer wäre als an der Grenze auf Geflüchtete zu schießen, oder dass es nicht auch der FDP oder Ulf Poschardt zuzutrauen wäre. Aber es ist ein gutes Beispiel für die typische, rein destruktive Denkweise der Nazis.

Denn sobald ich denke, irgendeine immanente und sei sie noch so kalte Logik müsse es doch geben und die müssten doch irgendetwas wollen, das sie wenigstens selbst für gut halten, komme ich stets zum selben Ergebnis: Sie verkörpern einfach nur das wahllos Böse. Sie wollen schlicht, dass mehr Radfahrer sterben. Es geht nicht um Ziele, sondern um die grundsätzliche Dekonstruktion jeder Menschlichkeit. Kindern am Strand die Sandburgen zerlatschen, Entenküken mit der bloßen Faust zerquetschen, gesunde Bäume fällen, gegen Tempolimits vor Grundschulen stimmen. Das wird spätestens klar, wo sie auf lokalpolitischer Ebene alles torpedieren, was auch nur entfernt nach Licht, Leben oder Fortschritt aussieht.

Sie wünschen sich alle anderen tot, die nicht haargenau so sind wie sie. Das gilt sogar für jenen älteren CDU-Typen, der seit neuestem öfter mal das Rad benutzt. Nur, weil ein AfD-Scherge mit seinem Panzer da eine halbe Minute schneller durchbrettern will. Das ist alles; so ticken die.

Dennoch wird in den semireaktionären Medien noch immer so getan, als wäre das Wählen dieser Partei eine Art Hilferuf. Wie ein verwirrter Jugendlicher, der aus Liebeskummer oder Weltschmerz eine Überdosis Schlaftabletten nimmt, aber gerade so viel, dass er eben noch gerettet werden kann. Der Magen wird ihm ausgepumpt, und endlich wachen die besorgten Eltern auf, und wenden sich seinen Problemen zu.

Die da lauten: Papas neue Freundin ist doof; statt der Corona-Diktatur will er endlich eine (r)echte; die leidige „LGBT-Ideologie“, die ganze Landstriche verheert; zu viele Migranten, zu viel Gemüse, zu viele Farben, zu viele Radfahrer … Er ist aber nun mal nicht fünfzehn, sondern fünfzig, und darf leider schon wählen.