Die Lösung
In einem improvisierten Reisebüro in der kolumbianischen Provinz erwarten uns ein Mitarbeiter sowie eine Mitarbeiterin. Wegen der Komplexität unseres Anliegens fragen wir die beiden, ob sie englisch sprächen.
Gleich meldet sich der Mann, um auf dem Prüfstand der Verständigung dann mit Bravour zu scheitern. Und das Problem versteht er schon mal gar nicht – Sprache hin oder her. Oder, wie der Didaktiker sagt: Er rafft halt nix. Das dünne Brett ist durch, nun gibt es hier nichts mehr für ihn zu tun. Nach nur wenigen Sekunden verlässt er entmutigt das Büro.
Also gut, dann eben auf Spanisch. Die Frauen müssen es richten. Meine Freundin und die Angestellte, bei der ich sehr schnell das Gefühl habe: Sie weiß, worum es geht und wird das irgendwie hinbekommen. Wahrscheinlich spricht sie so gut oder schlecht englisch wie ihr Kollege, deshalb behauptet sie es auch gar nicht erst.
Die Konstellation beobachte ich oft auf Reisen. Männer, die sich aufblasen und Frauen, die den Laden schmeißen und das beste aus zum Teil geringer Bildung machen. Die Männer aber sind wie Drohnen, weitgehend nutzlos und unbeweglich; reine Besamer, die sicher bald durch evolutionsbiologisch weitaus effektivere Apparaturen ersetzt werden. Das ohnehin stets ein wenig albern wirkende Konzept der Heterosexualität landet damit endgültig im Biomüll der Geschichte.
Diese Erkenntnis ist es, die mich mit einem Mal massiv frustriert. Denn ich bin selbst ein Teil des Phänomens, das eben nicht nur traditionellere Gesellschaften betrifft, sondern auch das scheinbar so moderne Mitteleuropa. In strukturschwachen Gebieten bleiben die jungen Männer zurück, die rundum den Anschluss verloren haben, während die jungen Frauen ihr Glück woanders suchen. Auch ich bin so ein Ochse, der keine Milch gibt. Ich steh hier ja bloß rum und gucke mir an der Wand die Fotos von den angebotenen Erlebnistouren an, die ich niemals machen werde, unflexibel, faul und mutlos.
Und auch hier sind wieder nur die Frauen mit der Lösung betraut. Der andere Typ kann kaum Englisch und ich kann kaum Spanisch. Nur das R kann ich besser rollen als meine Freundin, daher achte ich gewissenhaft darauf, dass der einzige Satz, den ich in ihrer Anwesenheit wie ein Mantra meiner Minderqualifikation herunterbete, auch genügend Rs enthält: „No entiendo mucho; la mujer habla mejor“ – nicht gerade eine abendfüllende Unterhaltung. Das ist alles so niederschmetternd.
Dabei soll es ja auch fähige Männer geben, sonst wären wohl kaum die meisten Autoren auf den Long Lists für die Buchpreise Männer, höhö, Tusch, Narrhallamarsch. Ausgerechnet Schriftsteller. Jedesmal, wenn die um eine Stellungnahme gebeten werden – egal zu welchem Thema: Politk, Kultur, Fußball, Religion – entpuppen sie sich als weltfremde Egozentriker. Zugute halten muss man ihnen, dass es selten ihrer eigenen Idee entspringt, über Dinge jenseits ihrer läppischen Inselbegabung Auskunft zu geben. Obwohl ihr Beruf sie mit weniger intellektuellem und moralischem Rüstzeug versieht als zum Beispiel Postboten, Piloten oder Prostituierte. Düster scheint die Ahnungslosigkeit in ihren toten Knopfaugen wider, während Blödes aus verkniffenen Mündern quillt wie eitel Exkrement aus runzeligem Rektum.
Und was ist mit den Erfindern und Wissenschaftlern: Einstein, Düsentrieb, Dr. Oetker? Klar die haben es drauf, obwohl sie ihre Baumwollsocken kochen. Doch für jeden nützlichen Schlaumeier, der die Glühbirne oder das Penicillin erfindet, hauen hundert Millionen Schwachköpfe sich und anderen den Schädel ein: beim sinnlosen Versuch, ungesichert eine Steilwand hochzuklettern; weil sie zwar ein Auto mit Bremse konstruiert haben, aber diese nicht benutzen; weil sie ihr Territorium unbedingt um ein wertloses Sumpfgebiet erweitern müssen. Da fragt man sich schon, ob das noch eine vertretbare Relation ist, umso mehr, weil die Glühbirne und das Penicillin früher oder später auch von einer Frau erfunden worden wäre, wenn man sie denn bloß gelassen hätte.
Damit sei es aber nun genug. Auf die Peische folgt das Zuckerbrot, auf die kostenlose Aufklärung der Bevölkerung die Lösung. Denn wir haben seine, sich geradezu HSV-mäßig aus gar nichts speisende, Hybris ja nur zerstört, um aus den Trümmern den neuen, besseren Mann entstehen zu lassen: Was also könnte man tun, um nach zehntausend Jahren der Verschwendung des Potentials einer Hälfte der Menschheit nun nicht auf einmal das der anderen Hälfte komplett in die Tonne zu treten? Das wäre zwar immerhin eine Abwechslung, aber unter dem Strich kein Fortschritt.
Zunächst muss man den im Licht der Einsicht aufkeimenden Minderwertigkeitskomplex behutsam wieder ersticken. Da können einfache Hilfsmittel erstaunliche Dienste leisten. So lässt uns ein präparierter Würfel mit sechs Augen auf jeder Seite immer eine Sechs würfeln. Erfolgserlebnisse wie dieses machen froh, erhöhen das Selbstbewusstsein und befördern eine emotionale Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Oder einfach mal ganz allein tief in den Wald gehen und dort laut „Scheiß-Weiber“ sagen. Fremdsprachen kann man dann noch immer lernen.
Mein Geschlechtsgenosse ist mittlerweile zurück. Wohl um zukünftigen Anforderungen gestärkt entgegenzublicken, hat er sich eine Tüte Maisfladen besorgt. Dümmlich kauend steht er im Eingangsbereich herum, ein Spiegel meiner eigenen Inferiorität.