Und schon wieder haben sie in einem großen Medium einen Schriftsteller zu einem Thema jenseits seiner Kernkompetenz befragt. Ist jetzt im Grunde auch egal, wer mal wieder was wozu gesagt hat – es ist eh immer dasselbe. Medium A interviewt Autor B zu Thema C, von dem er keine Ahnung hat. Wie sollte er auch? Also labert er halt irgendeine Scheiße. Und es, das Medium A so: Mhm, mhm, ist ja interessant, wie schlau, Herr B, vielen Dank für das Gespräch.
Also gut, ich sag jetzt doch, worum es ging, ist ja eh klar: natürlich um Corona, Thema C, wie sowieso die ganze Zeit. Aber warum zum Henker fragen sie eigentlich immer Schriftsteller, und das zu buchstäblich allem möglichen? Den wohl Megacringe meines Lebens überhaupt hatte ich so mal vorm Fernseher, als Günter Grass in der Pause eines Heimspiels des SC Freiburg über Fußball befragt wurde.
Aaarrgh! Ich verstehe das nicht. Nichts gegen Schriftsteller, einige meiner besten Freunde sind Schriftsteller, auf ne bizarre Art bin ich sogar fast selber einer; Schriftsteller sind einfach Menschen. Vernünftige Menschen und unvernünftige, reflektierende und nicht reflektierende, informierte und uninformierte, weltläufige und weltfremde … im Schnitt vielleicht noch eher von der letzteren Art. Sie kochen echt mit eitel Brackwasser.
Der Fehler liegt jedoch vor allem bei denen, die sie fragen. Warum um Gottes Willen tun sie das? Warum fragen die keine Experten? Das, hier nur zur Erläuterung, sind Leute, die von der Materie etwas verstehen. In der Wahnidee, stattdessen Schriftsteller zu fragen, liegt der eigentliche Sündenfall; dass die armen Idioten dann auch antworten, ist nur allzu menschlich. Das würde ich an ihrer Stelle auch tun, aus Höflichkeit, weil mir das Interesse schmeichelte, oder warum auch immer, und im Zweifel natürlich ebenfalls Müll reden. Ich bin nun mal kein Spezialist. Kein Virologe, kein Soziologe, kein Politiker.
Zum Glück werde ich nicht gefragt. Das mag, allzumal Bekanntheit für unsereiner ja auch eine wichtige Währung darstellt, hier nach dem Fuchs klingen, dem die Trauben zu sauer sind. Doch solange es für ein bescheidenes Auskommen reicht, bin ich wirklich froh darüber, dass meine immanente Ahnungslosigkeit eben nicht für alle Zeiten die ganz große Runde macht – das Internet vergisst nämlich nur die schönen Dinge.
Schriftsteller denken sich ja sehr viel aus. Dazu chillen sie gern in höheren Sphären der eigenen Vorstellungskraft. Das Ergebnis kann sogar mal ganz pfiffig sein. Das können sie ja, das muss man ihnen lassen – da möchte den Lesenden zuweilen fast so etwas wie ein anerkennendes Schmunzeln entweichen. Was Ulkiges ersinnen, schön formulieren mit der Zungenspitze im Mundwinkel, Buchstaben sortieren, Sätze daraus drechseln, schwer seufzend vom Schreibtisch aus in den Himmel gucken: alles gut, können sie gerne machen, feini. Aber bitte nicht wirr vom Elfenbeinturm herunter über ihr nicht vorhandenes pandemisches Herrschaftswissen schwadronieren, zumindest nicht in der Öffentlichkeit, danke!
Schuster bleib bei deinem Leisten, sagt der Volksmund nicht zu Unrecht. Denn was in ihrem Beruf durchaus nützlich sein kann – Fantasy, Vollmeise, egozentrisches Weltbild –, verfängt nicht so richtig, sobald es um Dinge wie Wissenschaft oder auch nur Realität geht. Da muss man exakt sein und kann nicht einfach irgendwas vor sich hin behaupten. Auch wenn man das von Berufs wegen fünfmal so gewohnt sein sollte. Wann das endlich auch die Redaktionen checken, weiß wohl nicht mal der Geier.
Und komme mir bitte keiner mit, „das sind Denker“. Erstens, in welchem Beruf muss man denn bitte nichts denken; werden die dann etwa auch alle – Geografielehrer, Lokomotivführerinnen etc. – in den Tagesthemen sieben Minuten lang zu Pandemiemaßnahmen befragt? „Herr Klempnermeister Krause, Sie haben ja viel mit Verstopfungen aller Art zu tun; wie stehen sie zu einer drohenden Triage bei einer dritten Welle mit der britischen Virusvariante B.1.dingenskirchen?“ Und zweitens, „Denken“ ist gut, die Literaten schwurbeln sich ja in der Regel eh nur irgendwas zusammen. Ausdenken ist aber nicht Denken.