Erfolg

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Gewöhnlich geht mir der Erfolg anderer Autoren, die ihren Kram tonnenweise in die Bahnhofsbuchhandlungen pressen, während ich mit meinen zauberhaften Elaboraten voller Klugheit und Eleganz kommerziell untergehe, am Arsch vorbei. Höchstens frage ich mich mal, ob sie sich dabei wohl diebisch über die Beliebigkeit eines Systems freuen, das die Reißbrettschreibe auch noch belohnt – ich an ihrer Stelle würde das jedenfalls tun.

Aber neidisch bin ich nicht. Immerhin habe ich auch selber schon von einem Mechanismus profitiert, der das Fade feiert und den Konsens krönt. Außerdem habe ich im Gegensatz zu denen wenigstens Spaß an der Arbeit. Solange es für Miete, Wurst und Dünnbier reicht, bin ich zufrieden.

Doch wehe, wenn vor lauter Unabhängigkeit vom Publikumsgeschmack sogar die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse auf der Kippe steht. Dann rutsche ich schon mal kurz in ein anklagendes Mimimi hinein: wieso die und warum nicht ich und die Welt ist so ungerecht und korrupt und geschmacklos und ich bin der einzige aufrechte Vertreter einer guten Kunst.

Das Gejaule ist jedoch Quatsch. Denn was würde ich an ihrer Stelle machen? Selbstverständlich genau dasselbe. Das ist doch überhaupt nicht vorwerfbar. Nehmen wir nur mal an, ich sitze morgens in meinem stillen Kämmerlein und habe gerade einen riesigen, stinkenden Kackhaufen gemacht. Und dann klingelt es an der Tür, und man putzt sich allenfalls noch rasch den Hintern ab und zieht die Hosen hoch, und draußen stehen Leute mit Brillen im Gesicht und sagen: „Tach auch, uns ist zufällig zu Ohren gekommen, Sie hätten da einen irren Kackhaufen gemacht. Den möchten wir gerne für ganz viel Geld kaufen, weil sich bestimmt Millionen für Ihren Kackhaufen interessieren.“

Dann sage ich doch auch nicht: „Nö. Ist doch Quatsch. Das ist doch nur ein Kackhaufen. Was wollnse denn damit? Und wie der schon stinkt. Furchtbar. Ich spül‘ den jetzt runter und gut ist.“

Da wäre ich doch schön blöd. Natürlich setze ich stattdessen einen Vertrag mit den offenbar verrückten Kackhaufenkäufern auf – man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Ich lasse mir viel Geld bezahlen, tingle mit dem Kackhaufen durch die Talkshows und beherrsche mit ihm die Feuilletons. Wahrscheinlich freue ich mich diebisch über den Fäkal-Fake.

Die Medien schwelgen eine Weile lang in den höchsten Tönen – „ein Kackhaufen wie eine Naturgewalt“, „ein Riesenkackhaufen, der keine Frage des Lebens unbeantwortet lässt“, „ein erfrischend neuer, erfrischend anderer, erfrischend frecher Riesenkackhaufen“ -, bis dann, ebenso ritualisiert und erwartbar, die Stimmung kippt und eine zweite Welle der Kritiker der ersten klarmacht, warum der Kackhaufen in Wahrheit einfach bloß Scheiße ist, und sie, die ersten Kritiker, bescheuert und unfähig sind. Zwischen den Zeilen wird kaum verhohlen unterstellt, dass sachfremde Motive bis hin zu empfangenen sexuellen Gefälligkeiten den korrumpierten Kritikern die lobende Feder führten. Nach kurzer Zeit tobt nur noch ein Krieg der Meta-Kritik zwischen den verschiedenen Kritikerlagern, was den Hype aber noch weiter anheizt: Der Riesenkackhaufen verkauft sich wie geschnitten Kot.

Nur langsam verflacht der Rummel um den Haufen, verebbt am Ende aber doch. Dem Lockruf des Goldes erlegen, mache ich mich daher an die Produktion eines neuen Kackhaufens: das Sequel „Der Riesenkackhaufen kehrt zurück“. Der Erfolg des Vorgängers hat meinen Lebensstandard verändert – nun kann ich nicht mehr zurück. Statt Dünnbier gibt es jeden Tag Champagner, die neue Wohnung mit dem Luxusklo aus finnischem Marmor, in dem meine Kackhaufen entstehen, kostet 2000 € Miete, meine treue Lebensgefährtin habe ich durch eine materiell höchst anspruchsvolle 25-jährige „Muse“ – das klingt besser als Edelprostituierte – ersetzt, die mir beim Drücken helfen soll.

Doch diesmal kommt nicht mehr viel. Der Arsch ist so leer wie das Hirn. Nurmehr einen Minikackhaufen bekomme ich zustande, einen Kaninchenköttel, mit dem ich mit viel Glück bei einem Dorfslam in die zweite Runde käme. Die Leute vom Kackhaufenverlag sind auf einmal gar nicht mehr so nett. Sie schreien mich am Telefon an und drohen mit Konventionalstrafen. Die Presse nennt mich „verbrannt“ und leakt Bilder, auf denen meine Muse mich im Zustand völliger Hilflosigkeit durch Alkohol und Drogen ohrfeigt, bevor sie mit Dieter Nuhr oder Thilo Sarrazin abzischt. Die Bahnhofsbuchhandlungen schleifen die Altäre, die sie mir und meinem Riesenkackhaufen errichtet haben.

Schließlich breche ich alle Brücken hinter mir ab und suche meine Wurzeln. Ich wandere über viele Wochen hin bis zu besagtem Dorfslam, der in einer Scheune stattfindet. Von allem Ballast und allen Zwängen endlich wieder befreit, stehe ich nun dort und rezitiere: „Und eines Tages werd‘ ich alt sein, oh baby, werd´ ich alt sein und an all die Kackhaufen denken, die ich hätte machen können.“

Saufen für Luchsbabys

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Sehr naturverbunden gibt sich der aktuelle Werbespot der Brauerei Krombacher. Über die komplette Dauer von dreißig Sekunden spielt er im Wald. Also da, wo auch das Bier am besten schmeckt.

Jede dritte Tierart in Deutschland ist gefährdet …“, mahnt ein Sprecher zu den Bildern einer kleinen Eule, die wahnsinnig putzig aus einem Baumloch lugt. Kleine Eulen müssen super PR-Berater haben – sie sind momentan das große Ding in Sachen niedlicher Ausstrahlung. In den sozialen Netzwerken, in Kalendern an der Supermarktkasse, in der Bierwerbung verdrängen sie die Katzenkinder. Dabei galten sie bis vor kurzem noch als hässliche Unglücksvögel, die man kurzerhand ans Scheunentor nagelte. Nun droht den kleinen Katzen dasselbe Schicksal. Lange Zeit haben die sich ihrer Position vollkommen sicher gewähnt und es deswegen versäumt, weiter an ihrer Marke zu arbeiten. Sie haben sich auf ihren Lorbeeren ausgeruht. „Kleine Kätzchen gehen immer“, „Kleinen Kätzchen kann keiner“, haben sie wohl gedacht. Ein fataler Irrtum. Jetzt haben sie ausgedient. Hochmut kommt vor dem Fall.

… oder sogar vom Aussterben bedroht“, fährt der Erzähler fort. Ein Fischotter guckt traurig und auch irgendwie nachdenklich: Wie lange wird es ihn und seinesgleichen noch in freier Wildbahn geben?

Doch es gibt ja noch Krombacher. „Es wird Zeit, dass wir gemeinsam etwas dagegen tun“, wird die trinkfreudige Gemeinde der potentiellen Käufer aufgerüttelt. Untersuchungen haben ergeben, dass die Anzahl geposteter und gelikter kleiner Eulen mit fortschreitender Abendstunde sowie steigendem Blutalkoholgehalt explodiert. In diese tiefe Kerbe menschlicher Schwäche schlagen nun die Bierbrauer. Für sich und für die Natur. Eine klassische Win-win-Strategie.

Auftritt Igel (goldig) und Biene (nützlich). Sie sind zu klein, um die im Wald stehengelassenen Flaschen einzusammeln und zum Pfandautomaten zu bringen. Aber der Mensch kann das tun, der Krombacher-Konsument, und der Erlös fließt in den Erhalt der Tierwelt.

Das große Krombacher Artenschutz-Projekt beginnt“, ertönt nunmehr der zentrale Slogan – es startet der Adler, es flattert der Schmetterling. Mehr Symbolik war nie. „Mit jedem Kasten Krombacher geben Sie bedrohten Tierarten in Deutschland ein sicheres Zuhause.“

Während die Zuschauerin noch überlegt, ob die Unterbringung in leeren Bierkästen denn überhaupt artgerecht wäre, wird erneut der Otter eingeblendet. Er wirkt noch missmutiger als zuvor. Anschließend sieht man eine Luchsmutter mit Jungtier, dann zwei junge Luchse, die miteinander raufen. Spielerisch erlernen sie das Töten. So ähnlich dürften auch kleine Soldaten an ihr blutiges Handwerk herangeführt werden.

Jetzt schützen und genießen“, erklärt der Sprecher. Das könnte eine Werbung für Kondome sein, ist es aber nicht. Ein unendlich klarer Wasserfall rauscht mächtig zwischen Bäumen, er steht seit jeher für das Reinheitsgebot. Es geht immer noch um Bier.

Ein Kasten ist gleich ein Stück Heimat.“ Damit auch jeder versteht, dass das ein und dasselbe ist, wird „1 Kasten = 1 Stück Heimat“ in Schrift und Ziffern eingeblendet: eine Gleichung mit zwei sehr Bekannten. Vor unserem inneren Auge öffnet sich die ganze Weite der deutschen Provinz. Eine Bushaltestelle. Ein paar Jugendliche. Darüber, welchem politischen Spektrum sie anhängen, wollen wir von hier aus nicht (vor-)urteilen. Ein Kasten Bier. Heimat eben.

Zum dritten Mal blickt der Otter traurig in die Kamera. Es ist immer derselbe. Offenbar gibt es nur noch einen. Die Lage ist ernst. Trinken, schnell!

Jeder Kasten zählt“, brummt daher die Stimme aus dem Off. Schließlich sind Biertrinker und Tiere ja auch Leidensgenossen. Sie sitzen im selben, dem Untergang geweihten, Boot. Denn nicht nur jede dritte Tierart ist gefährdet – auch jeder dritten Bierart droht die Extinktion. Obwohl es jeden Tag neue gute Gründe dafür gäbe, sich haltlos zuzuschütten, schrumpft die Zahl der Biertrinker in Deutschland seit Jahren besorgniserregend. Auch da zählt also jeder Kasten. Wir saufen nicht nur für Luchsbabys, wir tun es nicht minder für uns selber. Der deutsche Trinker stirbt vielleicht früh, aber er stirbt niemals aus.